Gutes aus Vorpommern

GUT geknipst – Der Rasende Roland

Der Rasende Roland:

Conny Eisfeld, aka Lomoherz, schreibt in ihrer Kolumne über besondere Orte und ihre dort entstandenen Fotos. Im Juli nimmt sie Dich mit auf eine Dampflokfahrt über die Insel Rügen!

Mein Tipp für einen lauen Juli-Abend auf Rügen:

Eine Fahrt mit dem Rasenden Roland.

Rauf auf Rügen – nach Putbus, Binz oder Sassnitz. So viele Möglichkeiten gibt es da gar nicht, das Straßennetz ist leicht zu durchschauen. Während das Radnetzwerk auf der Insel noch viele Wünsche offen lässt, kennt man mit dem Auto bald jeden Abzweig und Kitzelberg. Teilweise laufen die Bahngleise parallel zur Straße, aber nur teilweise…

Der Rasenden Roland zeigt euch die Insel Rügen nämlich nochmal von einer anderen Seite. Seine Route führt durch (Märchen-)Wälder, über Wiesen und Felder, vorbei am Jagdschloss und an Häfen bis in die Seebäder hinein. Vor allem im Spätsommer oder kurz vor Sommersonnenuntergang ist eine Reise auf dem Rasenden Roland wildromantisch.

Das muss kesseln!

Es dampft im Kessel.

Es dampft in mir.

Bin auf den letzten Drücker auf den Rasenden Roland gesprungen, quasi schon im Rollen, bevor der Rasende Roland losrast. 

Ich sitze im einzigen offenen Wagen dieser altehrwürdigen Bäderbahn. An einem funkelnden Sommer-Abend 2022. Irgendwo zwischen Putbus und Göhren.

Steigt doch gerne mit ein!

Wer ist der Rasende Roland?

Keine Walfängerlegende wie der Glückliche Matthias auf Föhr oder der gefürchtete Blanke Hans an der Nordsee:

Roland ist eine dampflokbetriebene Schmalspureisenbahn und rast täglich mit Dampflok-Geschwindigkeit über die Insel Rügen. Damit gehört Roland zum ÖPNV – oder besser gesagt zum “HÖPNV” (historischer öffentlicher Personennahverkehr). Auf 750 mm Spurweite geht es im Hop on Hop off  – Prinzip von Putbus über Binz, Sellin und Baabe nach Göhren. Seit 1895 knattert die Kleinbahn mit Höchstgeschwindigkeit von gemütlichen 30 km/h zwischen den Seebädern hin und her und wurde über die Jahre zum allseits beliebten Rasenden Roland. 
Im Sommer startet er zusätzlich von der Lauterbach Mole (von meinem riesigen Denkfehler zu dieser Verbindung berichte ich am Ende). 

Eigentlich heißt der Rasende Roland “Rügensche BäderBahn” und wird seit 2008 von einer sächsischen Eisenbahngesellschaft betrieben. Doch am Spitznamen lässt sich nichts mehr rütteln. Der entstand in den 50er Jahren, als der Rasende Roland zunehmend touristisch genutzt und der Name von sächsischen Bergarbeitern geprägt wurde. 

Pure Nostalgie

Auch wenn es (m)ein absolutes Highlight ist, die meiste Zeit im offenen Wagen – dem offiziellen “Sommerwagen” – mitzufahren, sollte man einen Teil der Fahrt unbedingt in einem der geschlossenen Wagen verbringen. Denn dort wird es – je nach Ausstattung – richtig nostalgisch. Einen Ofen im Wagen hätte ich auf jeden Fall nicht erwartet. 

Vor oder nach der Fahrt im “Museumswagen” sollte man dann aber raus auf die Zwischen-Plattformen oder in den Oben-Ohne-Wagen, dem Cabrio-Wagen, und dort den herrlichen Sommerfahrtwind genießen, das warme Abendflimmern beobachten oder dem Sonnenuntergang zugucken. Und immer schön winken.

 

Die Wagen der Rügenschen BäderBahn wurden zwischen 1907 und 1928 gebaut und in den 70ern modernisiert. Wenn ihr Glück habt, sehen sie noch immer so aus: mit Holzbänken oder sogar Plüschsitzen und historischer Farbgebung.

Rasend schnelle Fakten

  • Hier gibt es den Fahrplan zum Rasenden Roland.
  • Tickets gibt es ab 2,80 Euro nach Tarifstufensystem, also je nachdem, wie weit ihr fahren wollt.
  • Kinder unter 6 Jahren reisen kostenlos mit.
  • Tickets für Räder und Hunde könnt ihr extra erwerben.
  • Da der Rasende Roland zum ÖPNV gehört, gilt auch das Deutschlandticket, allerdings wird ein Schmalspurbahn-Zuschlag erhoben.
  • Es gibt auch einen Online-Shop für alle Fahrkarten.
  • Parkplatztickets gibt es in der Tankstelle beim Bahnhof.
  • Wer es noch einen ganz gewaltigen Batzen romantischer mag: Trauungen am Rasenden Roland mit Hochzeitsfahrt in schön dekorierten Wagen sind möglich.
  • Auch für andere Anlässe können einzelne Wagen gemietet werden.
  • Wer schon mal luschern will, findet hier die Bahnhofwebcams.

Ein bisschen Geschichte

1895 wurde die erste Strecke zwischen Putbus und Binz eröffnet, in den nächsten Jahren wurden weitere Strecken freigegeben, bis 1899 auch die letzte Strecke Sellin Ost – Göhren eröffnet wurde.

Zur DDR-Zeit wurde die Strecke für den Güterverkehr stillgelegt.
Die günstige Beförderung von Gütern war der ursprüngliche Zweck der Rügenschen Kleinbahn. Sonderfahrten, der Fahrradtransport oder der sporadische Dienstgüterverkehr halten die Erinnerung daran hoch.

...und noch ein letzter Tipp: Genügend Zeit für die Anreise einplanen!

Zurück zum Anfang, bei dem es ganz schön kesselte:
Eigentlich bin ich gut in der Zeit. Gut, ich habe vielleicht eine halbe Stunde mehr als geplant im Bücherzirkus in Binz verbracht, aber ich habe immer noch einen kleinen Puffer. Bis ich auf den Parkplatz in Putbus fahre. Und nicht gleich checke, dass es die Parktickets in der Tankstelle 200 Meter weiter gibt. Also hetze ich bei immer noch abendlichen 25 Grad da hin, der Eingang ist natürlich am entgegengesetzten Ende. Dort findet der Tankwart gerade das Paket von meinem Vordermann nicht, was mein rechtes Auge leicht nervös zucken lässt. 

Wenig später geht es im Stechschritt und mit flatterndem Parkzettel in der Hand zurück zum Auto und weiter zum Bahnhof in Putbus, an dem der Rasende Roland kurz darauf hält. Ich fange schon an, innerlich durchzuatmen, als sich die Schaffnerin mit leicht hochgezogener Augenbraue vor die Wagentür stellt (es ist Juli 2022). “Ohne Maske kann ich Sie leider nicht in den Zug lassen.” Maske? Zug? Das ist doch der Rasende Roland! Ein Tourizug, der zwischen Putbus und Göhren verkehrt – in meinen Augen wie der Molli in Bad Doberan oder die Brockenbimmelbahn. “Und trotzdem Teil des Nahverkehrs. Und dort gilt nach wie vor die Maskenpflicht.”

Mist. Daran habe ich überhaupt nicht gedacht. Mir war auch gar nicht bewusst, dass der Rasende Roland mehr als ein Saison-Highlight ist (aber umso besser!). Derweil liegen meine Masken schön in meinem Alltagsrucksack, aber nicht in meiner Ziegenledertasche, die ich extra zu diesem Anlass herausgemölt hatte. 

Sofort ist der Schweiß zurück. Ich durchwühle pseudomäßig meine Tasche, obwohl ich mir sicher bin, keine Maske darin zu finden. Ich hoffe auf ihren guten Willen, aber die Schaffnerin schüttelt weiterhin nur mit dem Kopf. Dann nickt sie in Richtung Bahnschalter. “Dort bekommen Sie welche”.

Am Schalter steht wiederum eine Dame, die ihre Rückreise gen Süden ändern muss, aber nicht über Hamburg oder Berlin fahren möchte. Ich sehe meinen Roland buchstäblich dahin rasen und gehe energisch dazwischen. “Entschuldigung. Ich bräuchte bitte eine Maske, sonst verpasse ich den Zug”. Den entrüsteten Blick der blonden älteren Dame ignoriere ich und entschuldige mich im Geiste dreieinhalbmal bei ihr. Der Servicemitarbeiter versucht mir noch zu erklären, dass ich mich nicht zu hetzen brauche, aber ich verstehe ihn nicht, denn laut Plan verlässt der Rasende Roland in zwei Minuten den Bahnsteig!

Die Erklärung bekomme ich eine halbe Stunde später. Dann stehe ich nämlich wieder am Putbuser Bahnhof. In zwanzig Minuten geht es dann richtig los in Richtung Binz, Sellin und Göhren. Aber immerhin waren wir zwischendurch am Putbuser Hafen, genauer gesagt an der Lauterbach Mole, einem Sonderzwischenhalt im Sommer. Dann sind wir wieder zurückgefahren. Ich hätte also auch an der Lauterbach Mole einsteigen können oder ganz entspannt eine halbe Stunde später in Putbus. Egal. Ich sitze im offenen Wagen, dem historischen Sommerwagen, und genieße die Sonne im Gesicht, die in Blätterschatten auf mein Gesicht fällt.

Nächster Halt: Beuchow.

… und an der Endstation in Göhren? Da gibt’s erstmal ein kühles Bierchen.
Ein Rolander.

Film & Kamera & Bloopers

Die Fotos habe ich mit meiner analogen Canon A-1 aufgenommen. Auf den Bildern erkennt ihr vielleicht einen leichten Retrolook. Woher der kommt? Vom cineastischen Filmmaterial. In der Kamera steckten ein Silbersalz 200T & 50D. Dahinter verbirgt sich ein Kodak Vision3 Motion Film, der quasi für die analoge Fotografie geschnitten und umgespult wurde und den Bildern diesen besonderen Look gibt. Das T steht hier für Tungsten, also Kunstlicht und das D für Daylight, also Tageslicht. Den Tungsten nehm ich aber trotzdem oft mit nach draußen!

Trotz der niedrigen ISO, vor allem beim 50D, hatte ich auf den Freiflächen relativ viel Licht, sodass ich mit den Filmen ganz gut auskam. Nur auf den letzten Metern, also nach Sonnenuntergang, verließ mich das Glückslicht und ich hätte eigentlich mit einem Stativ weiterfotografieren müssen. Aber das ist vielleicht etwas überambitioniert auf einem rasselnden alten Zug … 😉
Einfacher noch: Ich hätte auch einen Film mit höherer ISO, also 400 oder 800 mitnehmen können. Aber wahrscheinlich wollte ich endlich diese beiden Film vollkriegen, damit ich alle meine Silbersalz-Filme ins Silbersalz-Labor schicken konnte. (Zu der Zeit konnte man Silbersalz-Filme nur so wie bestellt auch wieder einschicken. Entwicklung und Scan der Filme hatte man beim Einkauf automatisch mit dazugebucht. Das ist inzwischen anders.)

Dies ist das letzte Bild, bereits eine kleine Langzeitbelichtung, bei der ich versucht habe, die Kamera so still wie möglich zu halten:

Zu guter Letzt noch ein analoger Blooper: Vor allem der Halt auf der Rückfahrt in Binz war wunderschön, denn die untergehende Sonne blitzte durch die Bäume und hüllte den Rasenden Roland, den Dampflokdampf und den Binzer Bahnhof in wunderbares Licht (wie ihr auch im Video oben sehen könnt).

Also zücke ich fix meine Kamera und drücke ab. Aber der Transporthebel bewegt sich nur bis zur Hälfte. Mist, ausgerechnet jetzt ist der Film voll! Ein Blick auf den Zeitplan gibt mir Hoffnung: Hier machen wir ein paar Minuten länger Halt! Ich fummele den neuen Film aus der Ziegenledertasche, friemel ihn in Rekordzeit in meine analoge Kamera und spule ihn bis zum ersten Bild vor. Dann drücke ich erneut ab.

Last of the roll - das letzte Bild auf der Filmrolle
First of the roll - das 1. Bild auf dem neuen Film

Nachdem die Bilder entwickelt wurden, sehe ich diese beiden Bilder. Das eine Bild abgeschnitten, weil der Film zu Ende war und das erste vom neuen Film halb verbrannt, weil ich ihn wohl doch nicht weit genug vorgespult hatte und ein Teil des Bilds daher belichtet wurde.

Zusammen hätten sie wohl ein ganz hübsches Bild ergeben… 😅

Ahoi und bis zum nächsten Mal!

Roland, Canon & ich 2022
Roland, Papa & ich 1988

Kommentare

Kommentar erstellen