Hiddensee – das kleine Eiland und mich trennen mehr als zwanzig Jahre, denn ich war Ende der 90er Jahre zuletzt hier. In der Biologischen Station, während meines Studiums.
Meine Erinnerungen sind verwaschen, mein Bedürfnis nach einer naturverbundenen Auszeit, ohne Familie, groß. So groß, dass ich mich spontan für eine Wiederentdeckung Hiddensees entscheide.
Obwohl ich sehr empfindlich gegenüber Seefahrten bin, lockt mich der Gedanke, die Insel neu zu erleben. Sie mir aus eigener Kraft – zu Fuß – zu eigen zu machen. Ich will die Elemente spüren: die ersten, frischen Herbstwinde und die letzten, wärmenden Strahlen der Spätsommer-Sonne.
Mit im Gepäck: meine Kamera und das Nötigste für drei Nächte. Komm, ich nehme Dich mit auf meine Reise!
Ein letzter, prüfender Blick auf mein Gepäck, Luftküsse zum Abschied und schon starte ich mit meinem kleinen Elektro-Auto nach Schaprode (Rügen).
Meine Route von Greifswald kommend ist schön. Auf der Rügenbrücke habe ich einen fantastischen Blick über den Strelasund. Auf Rügen genieße ich die Fahrt auf der Landstraße mit ihren Alleebäumen.
Den Parkplatz in Schaprode finde ich auf Anhieb und mir fällt wieder ein, dass ich damals, 1999, sehr in Eile war, um die Fähre zu erreichen. Wir hatten schlichtweg den Fußweg vom Parkplatz zum Hafen unterschätzt und die Fähre völlig außer Atem erreicht.
Zügigen Schrittes folge ich der Beschilderung zum Hafen. Ich passiere Schillings Gasthof und Schillings Fischhaus und freue mich, dass beide gut besucht sind.
Mir ist vor Aufregung eher nicht nach Essen zumute. Ich möchte einfach nur die Fährfahrt hinter mich bringen.
Vom Festland aus kann ich die Insel Hiddensee – dat söte Länneken (das süße Ländchen) gut sehen und ich besteige mit einer Mischung aus Vorfreude und Respekt das Schiff. Auf dem Sonnendeck suche ich mir einen Platz. Der Wind weht mir um die Nase während ich energisch meinen Reisekaugummi kaue und es nicht erwarten kann, auf der Insel anzukommen.
Als wir nach rund zwanzig Minuten in Neuendorf anlegen, bin ich stolz auf mich und freue mich über die schönen Wetter-Bedingungen für meine Wanderung vom Hafen Neuendorf zu meiner Unterkunft in Kloster.
Ich will unbedingt – trotz Gepäck auf dem Rücken – die Route durch die Heide nehmen.
Doch zuerst erfreue ich mich an den Formationen, die ein riesiger Starenschwarm über die reetgedeckten Häuser des alten Fischerortes zaubert.
Ich lasse den südlichsten Hafen Hiddensees hinter mir und durchquere das Örtchen Neuendorf. Hier ist es ruhiger als in Vitte oder Kloster. Die Häuser wirken wie zufällig in die Landschaft gestreut. Ihr Stil ist ursprünglicher und man kann deutlich erkennen, wovon die Insel einst lebte, dem Fischfang.
Sichtbar wird dies auch durch die Hausmarken an einigen der Gebäude. Das sind einfache, grafische Symbole, die an Runen erinnern, jedoch nichts mit ihnen gemein haben, wie ich später lese. Sie kennzeichnen das Eigentum einer Familie und werden weitervererbt.
Mein Weg führt mich vorbei am Fischereimuseum Hiddensee. Es wurde von den Neuendorfer Fischern im ehemaligen Reusenschuppen “Lütt Partie” eingerichtet.
Vielleicht führt mich in den kommenden Tagen mein Weg noch einmal hier her.
Jetzt will ich mich sputen, den immerhin möchte ich bis zum Abend Kloster erreicht haben.
Am Ortsende Neuendorfs werfe ich einen ersten Blick auf den Strand Hiddensees. Lang und wild liegt er vor mir. Der Wind formt hier Wellen mit Schaumkronen. Ich fühle mich angekommen.
Hier entscheide ich mich auch, den Wegweisern zur Wanderung durch das Naturschutzgebiet Dünenheide zu folgen.
Hier in der Heide weht kaum ein Lüftchen. Der sandige Boden ist warm vom Tageslicht und in der Luft hängt ein leichter Geruch von Kiefernharz.
Mein Blick schweift über die Weite der Heide. Er wird nur hin und wieder von einzelnen Bäumen unterbrochen. Bereits nach wenigen Metern entscheide ich mich, den Fleecepullover gegen ein Shirt zu tauschen – hallo Spätsommer!
Leider bin ich ein paar Wochen zu spät hier, um die Heideblüte in voller Pracht zu erleben. Ich las vor meiner Reise, dass – zur Hauptblüte im August – die Landschaft in ein einziges Meer aus lila Blüten getaucht sein soll.
Jetzt, Ende September, kann ich dieses Spektakel nur erahnen und erfreue mich an den wenigen, vollen Blütenflecken, die sich vor allem an schattigen Plätzen finden.
Immer wieder halte ich an und fotografiere. Die Sonne steht zwar noch hoch, aber der Blick über die Landschaft ist traumhaft.
Etwa auf der Hälfte meiner Strecke nach Vitte erscheinen die ersten (Ferien)Häuser am Horizont. Sie liegen abgeschieden inmitten des Naturschutzgebietes. Ich überlege, ob ich im nächsten Jahr im August wiederkommen sollte und für ein paar Tage in eines dieser Häuschen ziehen.
Der Pfad, dem ich folge, führt mich aus der Dünenheide auf den gepflasterten Weg Richtung Vitte.
Hier ist die Landschaft wieder eine andere. Sie ist geprägt durch den Charakter und Bewuchs der Salzwiesen. Mein Blick schweift über die Fährinsel in Richtung einer Fähre.
Ich vermute, dass sie auf dem Weg nach Vitte ist und freue mich, bereits an Land zu sein, reich beschenkt mit den ersten Inseleindrücken.
Auf dem Deichweg zum Hafen Vitte steht ein Bank mit attraktiver Aussicht. Ich beschließe eine kurze Pause zu machen, bevor ich dem Weg zum Hafen Vitte folge.
Vitte empfängt mich fröhlich, strahlend und lebhaft. Was für ein Kontrast zum Hafen Neuendorf!
Meinen ursprünglichen Plan im Hafenkater für einen Imbiss einzukehren, verwerfe ich. Er ist bis auf den letzten Platz gefüllt. So folge ich dem wenig belebten Weg über den Deich in Richtung Kloster.
Auf dieser Route komme ich in den Genuss, einen Blick auf das “Asta Nielsen Haus” und das “Haus Weidermann” zu werfen, die in das weiche Licht des späten Nachmittags gehüllt sind.
Amüsiert denke ich Verse von Joachim Ringelnatz und nehme mir vor, mein neues Buch “Mit Ringelnatz auf Hiddensee” von Ute Frisch nach meiner Rückkehr weiterzulesen.
Ich teile mir den Deichweg entlang der Boddenküste mit nur wenigen Spazierenden und Radfahrenden. Mein Blick taucht in die Salzwiesen ein.
Satte, grüne Grasflächen, die gelegentlich von Wasserrinnen durchzogen sind und als Weidefläche dienen. Ich freue mich auf die Ankunft in Kloster und meine Unterkunft.
Mich begleitet über den gesamten Deichweg der Blick auf den Norden Hiddensees. Ich sehe die hügelige Landschaft des Dornbusch und das Leuchtfeuer Dornbusch.
Dorthin wird mich meine morgige Wanderung führen. Doch jetzt möchte ich einfach nur noch in Kloster ankommen. Ich bin froh, dass mein Rucksack nicht mehr Volumen hergab, denn ich spüre inzwischen jedes Kilo auf meinem Rücken und meine Füße schmerzen.
Rechts von mir liegt der Seglerhafen Kloster, in dem sich die Boote sanft hin und her wiegen.
Vor mir führt der Weg direkt auf ein großes Haus zu, das Hotel Hitthim, welches das erste Haus am Platz in Kloster ist.
Ich bin gespannt, ob ich in Kloster Gebäude oder Orte sehe, die meinen Erinnerungen an meine Exkursion während des Studiums auf die Sprünge helfen.
Doch jetzt freue ich mich auf meine Ankunft und einen freien Platz auf der Terrasse von “Schillings Hafenamt”.
Die letzte Fähre zum Festland legt gerade ab und ich komme an.
In “Schillings Hafenamt” entscheide ich mich für den Öhe-Burger, den ich schon lange mal probieren wollte. Das Fleisch stammt von den Rindern, die auf der Insel Öhe vor Schaprode weiden und dem Landwirt Mathias Schilling gehören. Er ist nicht nur Landwirt, sondern auch Gastwirt und engagiert sich sehr für die Region.
Sein Name begegnet den Gästen auf Hiddensee öfters und ich kehre guten Gewissens bei ihm ein, denn regionaler geht es kaum.
Und nun sitze ich hier, genieße die letzten Sonnenstrahlen des Tages und fühle mich angenehm erschöpft, erfüllt von den Eindrücken des Tages.
Auf dem Weg vom Hafen zur Unterkunft erkenne ich das erste Gebäude wieder und als ich auf den sandigen Kirchweg einbiege, weiß ich, dass ich hier schon mal entlang gegangen bin.
Meine Unterkunft ist eine Ferienwohnung gegenüber der Pension Wieseneck. Modern und aufgeräumt empfängt sie mich. Doch bevor ich sie beziehe, eile ich für den Sonnenuntergang an den Strand.
Glutrot verschwindet sie im Meer, begleitet vom Trompeten vorbeiziehender Kraniche. Erst auf dem Rückweg zur Unterkunft stelle ich schmunzelnd fest, dass nur das “Gerhart Hauptmann Haus” meine Ferienwohnung von der “Biologische Station Hiddensee” trennt.
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