Conny Eisfeld, aka Lomoherz, schreibt ab sofort für uns eine Kolumne über besondere Orte und ihre dort entstandenen Fotos.
Ein Samstagabend im Februar 2022: Ich gebe zu, zu nichts anderem fähig zu sein, als auf der Couch rumzulümmeln und stumpf meinen Instagram-Feed durchzuscrollen. Was mir angezeigt wird, sind Werbeanzeigen und irrelevante Beiträge von Leuten, denen ich mal aus anderen (Bild-)Gründen gefolgt bin. Der neue Instagram-Algorithmus nervt.
Doch bei einem Bild bleibe ich hängen: Es ist eine Langzeitbelichtung von einem Meer, in dem zwei Reihen von Buhnen stehen, die sich in der Mitte kreuzen. Wie skurril! So etwas habe ich noch nie gesehen.
Wäre ja verrückt, wenn das hier an der Ostsee ist. Und tatsächlich! Die Bildunterschrift lautet: „Wer kennt sie nicht, die X-Buhne von Dranske auf der Insel Rügen?“ Ähm, tja. Das wäre dann wohl ich…
Fun Fact: Ich bin gebürtige Mecklenburgerin und wohne seit 2015 in Vorpommern. Und keine Stunde von Dranske entfernt, sehe ich diese sonderbare Erscheinung zum ersten Mal als Instagram-Bild, das theoretisch auch ein Instagramer in Alaska in diesem Moment hätte sehen können, Zeitumstellung mit eingerechnet.
Ein klitzekleines bisschen schäme ich mich für meine Heimatunkunde und setze mich nach einem Blick auf den Wetterbericht am nächsten Tag hinters Steuer. Navi an, doch überraschenderweise hat die X-Buhne im Norden von Rügen weder einen Straßeneintrag, geschweige denn eine Hausnummer. Also Google Maps. Treffer! Irgendjemand hat diesen Hot-Spot eingetragen.
Meine vorbereitete Foto-Ausrüstung sitzt derweil brav auf dem Beifahrersitz, denn ich will diese Buhnen bei Sonnenuntergang. Und der ist im Winter eher kurz. Kaum mehr als ein dramatisches letztes Aufblitzen der Sonne am tiefen Westhimmel: Hasta la vista, Fischkköppe, wir sehen uns morgen wieder. Vielleicht. Vielleicht verziehe ich mich aber auch hinter Regenwolken und dickem Nebel. Willkommen im Norden.
Wer schon einmal einen epischen Sonnenuntergang verpasst hat, weil die Kamera erst noch aufs Stativ geschraubt werden musste oder dieses und jenes fehlte, wird noch immer diesen Stich ins Fotografen-Herz spüren. Also habe ich vor meiner Abfahrt streberhaft einen Film in meine Kamera gelegt und vorsichtshalber schon mal den Pinöpel vom Stativ drauf geschraubt.
Film? In die Kamera? Ganz recht. Ich fotografiere auf Film. Wie Omma und Oppa vor gefühlt 150 Jahren (in Wahrheit: > 25 Jahre). Analog eben. Warum? Weil ich es mag. Weil ich das Handwerk hinter der analogen Fotografie liebe und sie zum Runterkommen brauche. Weil ich mindestens 10 (12? 15?) Stunden am Tag vor einem digitalen Bildschirm hocke. Und wozu das führen kann, habe ich ja schon erwähnt: Man sieht die eigenen Wunder vor der Tür in Miniatur-Ansicht auf Instagram, statt in groß und in echt und in Farbe. Also los!
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